Schlösser und Burgen in Baden-Württemberg
  Wertheimer Burg
 

Wertheim weckt Erinnerungen an die schönste alte Capitale, die jemals auf später baden-württembergischem Boden gesichtet wurde: das kurpfälzische Heidelberg. Die "Welt-Hauptstadt der Romantik", vor allem durch das unvergleichliche Schloss noch heute in mittelalterlichem Charme, erweist sich bei genauerer Betrachtung als barocke Stadt. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg untergegangen, erstand sie im 18. Jahrhundert im Stil der schönen Künste vollkommen auf's Neue. Wertheim dagegen blieb das Schicksal solch "gründlicher" Zerstörung allen Drangsalen zum Trotz erspart. Das der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Städten, ansonsten nämlich strebt Wertheim mutvoll dem Vorbilde am Neckar nach — und das bedeutet nichts anderes als herzergreifende Schönheit. Mag sie die Königin Heidelberg auch nicht erreichen, was freilich überhaupt nichts besagt und als Tadel ohne jeden Wert, reiht sich Wertheim in die glanzvolle Riege der schönsten Städte Baden-Württembergs ein.
Die urkundlich erfassbare Geschichte Wertheims setzt lustigerweise auf der anderen Seite des Maines ein, mit einem Dorfe auf dem Gebiet des heutigen Kreuzwertheim. Die 1803 zunächst auf das Fürstentum Leiningen (1806 an Baden) übergehende Grafschaft gefiel sich seit jeher auf beiden Seiten des Maines. So blieb es napoleonischen Ansprüchen vorbehalten die durch den Main mehr verbundenen als getrennten Ortsteile "Creutz" und "Wertheim" per Federstrich zu separieren. Die nachweisbare Historie des heutigen Wertheim beginnt ein Jahrhundert später im Jahre 779. 1103 wird die Grafschaft selbst das erste Mal genannt, womit auch die über der Stadt thronende Burg initiiert ward. 1306 dann die wertvollen Stadtrechte. Nun hatte Wertheim alles zusammen um zu prosperieren: den Status als Residenz und Stadt. Das war keinesfalls Zufall sondern von der strategisch günstigen Verkehrslage erst befördert worden, dem Zusammenfluss von Main und Tauber. Wertheim also stand in voller Blüte als sich die Unbilden des 17. Jahrhunderts ankündigten. Sie sollten auch Wertheim nicht verschonen. Der 30jährige Krieg behelligte zwar erst spät, dafür umso heftiger.


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Die Hälfte des "unaufhörlichen" Krieges war beinahe erreicht, da standen 1631 die Schweden vor und bald hinter den Toren der Stadt. Drei Jahre hielten sie Stadt und Burg, dann wütete die gewaltige Schlacht von Nördlingen. Die Kaiserlichen erschienen vor Wertheim. Das focht die Schweden zunächst wenig an, dann aber zündeten die anderen unaufhörlich ihre Kanonen und die Burg sank in Trümmern. Nun wollten die Schweden doch gehen, freilich mit einem ernst gemeinten "Auf Wiedersehen" auf den Lippen.
Sie ließen zwar 13 Jahre auf sich warten, dann aber, 1647, holten sie sich die Stadt zurück. Die wollte ihnen schon ein Jahr später ein bayrisches Regiment wieder entreißen, wieder also ward das arme Schloss von der Artillerie anvisiert. Und dieses sank wohl noch weiter in Ruinen, die diesmal sturen Schweden aber blieben. Dann schwiegen die Kanonen, nicht nur in Wertheim sondern überall im Deutschen Reich — der Westfälische Frieden brachte noch im gleichen Jahr Frieden für ein Land, das unter Mord und Brand begraben den Frieden und auch sich selbst schon gar nicht mehr kannte.
Das Schloss zerstört, die Stadt vollends ausgemergelt und verarmt. Schlimm genug, immerhin aber der letzte verzehrende Schicksalsschlag der Stadt. Während wenige Jahrzehnte später zwischen Mannheim und Freiburg im Pfälzischen Erbfolgekrieg alles in Schutt und Trümmern versank, kam Wertheim ohne Zerstörung über das neuerliche Ungemach, das in Baden-Württemberg den 30jährigen Krieg, obwohl kaum vorstellbar, sogar noch übertraf.
Es ist genau jene Mischung aus Zerstörung des 30jährigen Krieges und Erhalt im Pfälzischen Erbfolgekrieg (und den folgenden Kriegen bis einschließlich Zweitem Weltkrieg), die das Bild der heutigen Altstadt zeichnet. Das historische Wertheim ist noch heutigentags ein mittelalterliches — ein Gewinn, eine Stadt von größter Schönheit. Das Schloss, über der Stadt liegend ihr Wahrzeichen, wurde und blieb Ruine. Die Stadt dagegen blieb weitgehend unzerstört und damit mittelalterlich.


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Wertheim musste nicht im barocken Kleid des 18. Jahrhunderts wiedererstehen und wollte es auch nicht. Die Drangsale, die auch in jenem Jahrhundert durch die Region malmten, zerstörten zwar nicht mehr, aber sie zehrten immer wieder auf‘s Neue aus. Wertheim, obgleich weiterhin Residenz, kam nie wieder zur alten Blüte. Das Zeitalter der schönen Künste hinterließ hier nur wenige barocke Bauten mit Vorzeige-Charakter, mehr vermochte die Stadt schlicht nicht. Dann kam auch schon das Großherzogtum, das für Wertheim wie für die anderen Fürstensitze keine residenziale Verwendung mehr hatte. Ob ihrer Lage verblieb ihr noch einige Bedeutung und dennoch obsiegte endlich der Eindruck einer ruhigen und verträumten (keineswegs negativ gemeint!) Kleinstadt an der nördlichen Grenze Baden-Württembergs.
Das Wertheimer Schloss ist eindeutig der Blickfang, die Krone der Stadt. Die weitläufige, im 12. Jahrhundert begonnene Burganlage, eine der größten ihrer Art in ganz Süddeutschland, vor allem begründet neben der Lage am Fluss die Ähnlichkeit Wertheims zu Heidelberg. Wie sein Neckar-Pendant besticht es durch Größe, einen reizvollen Erhaltungsgrad und das verwendete Material des roten Sandsteins. Noch heutigentags beeindruckt die Wehrhaftigkeit hoher Mauern, versehen mit Bollwerken. In Halbkreisform zum Main hin zeigend und nach hinten offen das VORDERE BOLLWERK, errichtet 1410-30; nach Süden (zur Tauber) blickend der wiederum halbkreisförmige und mit Schiefer gedeckte Turm des HINTEREN BOLLWERKS — man sieht Fachwerk-Anteile, die reizvoll zur Rohheit der Sandsteinmauern kontrastieren; zum Berg hin, also von der Stadt aus nicht zu erkennen, ergänzt das OBERE BOLLWERK.


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Nicht weniger auffällig und in bestem Zustand das TORGEBÄUDE, gesäumt von zwei Rundtürmen und mit vorgelagerter steinerner Brücke. Der obere Abschnitt der Türme kragt leicht vor und ruht auf Rundbogenfriesen. Die Öffnungen der Fenster und des Tores zeigen mehr oder weniger zurückhaltende Renaissance. Für das Betreten der Burganlage könnte man sich keinen besseren Auftakt wünschen.
Das Schloss hielt gleich mehrere WOHNBAUTEN parat, welche sich ob teilweise beeindruckender Höhe auch aus der Ferne ohne weiteres nachvollziehen lassen. Die Öffnungsrahmungen huldigen wiederum vor allem dem Stile der Renaissance, nun einiges kunstvoller (z.T. findet sich auch noch Romanik). Dennoch wird der typische schwere Lochfassaden-Charakter des Mittelalters nicht überwunden — alles kommt stämmig, rustikal, dem burgartigen Charakter eher zuspielend als einem leichten schlossartigen.
Am schönsten die Giebelfassade neben dem Bergfried mit zwei großen dreiteiligen Öffnungen, dessen Rahmen kunstvoll geschwungen — treffliche Details, entstammend noch romanischer Epoche. Darüber einfachere zweiteilige Öffnungen, welche teilweise in Reste großer vermauerter Romanik-Bögen eingesetzt wurden. Ausgesprochen erstaunlich, weil geradezu ein denkmalschützerischer Aspekt und das im ausgehenden Mittelalter! Der Erhalt der romanischen Bögen wirkt nicht einmal besonders schicklich, eher als Kuriosität und wurde dennoch, obwohl ohne weiteres entfernbar, für erhaltenswert befunden.


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Das Bild der Ruine vollendet sich im hohen BERGFRIED, welcher um 1100 im rückwärtigen Bereich errichtet. Sorgfältig gesetztes Buckel-Quaderwerk, wenige romanische Rundbogen-Öffnungen, ausladende Halter von Pechnasen und "angefressene" Zinnen bestimmen die wehrhaft-abweisende Erscheinung. Er kann "erklommen" werden und entlohnt die Mühen mit dem fantastischsten Ausblick auf die zu Füssen liegende Stadt, den sich schlängelnden Main, die wunderbare Landschaft überhaupt, die sehr vom Reiz des tief einschneidenden Maines profitiert.
Das kunstvollste der Anlage und nicht minder begehenswert eine Art von GALERIE auf der Südseite. Auf Bögen von enormer Höhe kann man deutlich aus dem Berghange nach vorne treten. Zur Stadt hin sichert eine Sandstein-Balustrade von einer Ausschmückung — gotisches Maßwerk — wie man sie vielleicht an einer Kirchen-Empore vermuten würde, nimmer aber an einer Burg. In Verlängerung der Galerie führen die Reste der ehemaligen Stadt und Burg verbindenden Befestigungsmauer steil ins Tal.
Vor der Galerie befindet sich eine sommers von einem Restaurant angediente Aussichtsterrasse. Der herrliche Blick geht hier eher in Richtung Tauber und auf die sehr ansehnliche Altstadt Wertheims.
           

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Sei zum Abschluss auch der erhaltenen drei Stadttürme gedacht, die einst mit der Burg eine geschlossene Verteidigungsanlage bildeten. Eines der wenigen barocken, also nicht mittelalterlichen Bauwerke zeigt die sogenannte HOFHALTUNG, in der wenige Jahrzehnte bis 1781 die fürstliche Linie Wertheim-Löwenstein-Rosenberg Sitz nahm. Wiewohl barock und von einiger Größe ist es doch einem sparsamen Umgang verpflichtet, gestattet beinahe einzig dem Portal von 1749 die stiltypische Pracht. Im baulichen Zusammenhang mit der Hofhaltung reckt sich der WEISSE TURM in die Höhe: in Rundform und sehr zurückhaltend, aber reizvoll aus einem rechteckigen Unterbau auftauchend.
Unweit von ihm der KITTSTEINTURM, wiederum zurückhaltend und wiederum bei runder Grundform von reizvoller, schlanker Proportion.
Der dritte mittelalterliche Turm steht noch weiter tauberabwärts. Nicht nur das beste Stück der alten Befestigung (heute wie damals) nimmt der um 1200 errichtete SPITZE TURM unweit des Zusammenflusses von Main und Tauber auch noch eine reizvolle Eckposition ein. Ob dieser markanten Lage und der kunstvollen Gestalt wurde er wie das Schloss zu einem Wahrzeichen der Stadt. Von einem erneut runden Unterbau geht der Turm in eine kantige Grundform über, welche in der obersten Partie auskragt und noch heute wehrhaft Pechnasen von sich streckt. Dann das Zeltdach, das dem Turm schließlich eine Höhe von fast 40 Metern einträgt. Einer der schönsten Wehrtürme Baden-Württembergs!


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) örtliche Informationstafeln


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