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Der große Karl Theodor, der so kunstsinnige und erfolgreiche Kurfürst - er durfte, ja musste noch größer werden. Welch’ Moment als dem kurpfälzischen Oberhaupt durch Erbgang nichts geringeres als ganz Bayern zufiel! Da hatte die vergleichsweise kleine Kurpfalz auf einmal das große Kurfürstentum Bayern zu verspeisen. Nein, das konnte nicht gut gehen; Bayern - und das konnte auch gar nicht anders sein - blieb der allzu zuversichtlichen Kurpfalz im Halse stecken! Nicht Bayern wurde Teil der Kurpfalz - umgekehrt - die Pfalz wurde Teil von Bayern. 1778 denn auch das klare Signal; solch großem Lande konnte die kurpfälzische Metropole denn doch nicht die Capitale sein - um die Erbschaft antreten zu können, musste Kurfürst Karl Theodor nach dem ohnehin bedeutenderen München wechseln, samt dem großen Hofstaate versteht sich. So war denn der Anfang zu noch bedeutenderen, einflussreicheren Zeiten im Grunde nichts anderes als das Ende der Kurpfalz, der so ruhmreichen, der kaiserbestimmenden, ja auch der so alten Kurpfalz! Es war das Ende des wichtigsten Landes auf dem Territorium des späteren Großherzogtums - mit Möglichkeiten der Einflussnahme, auch mit finanziellen und baukünstlerischen Mitteln, von denen die badischen Markgrafschaften, ob nun getrennt oder vereint, immer nur träumen konnten. Die Kurpfalz war mondän, die Markgrafschaft(en) Provinz; solange bis das von Napoleons Gnaden entstehende Großherzogtum kam.
Und Napoleon, respektive das revolutionäre Frankreich griff schonmal vorab nach der verwaisten Capitale Mannheim: 1795 wurde die Stadt von französischen Truppen erobert. Man sah die sogenannten Koalitionskriege der anderen großen Monarchien Europas gegen das von solcher “enthaupteten” revolutionären Republik - und man sah wie sich eben letztere ausgerechnet Mannheim griff. Mannheim war zu diesem Zeitpunkt nicht nur eine deutsche Großstadt, auch nämlich seit ihrer eigentlichen Geburtsstunde 1606 eine der wichtigsten Festungen in Südwestdeutschland. Seinerzeit waren die Großstädte, die Capitalen allzumal, durch riesige sternförmige Schanzenanlagen, deren Grundfläche oft größer als die eigentliche Stadt, zu wahren Bollwerken ausgeufert.
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So auch Mannheim, die im 18. Jahrhundert bedeutendste Stadt und Festung der Kurpfalz. Und solche hatte sich Frankreich also gegriffen. Das durfte aus Sicht der Gegner keinesfalls so bleiben - man setzte alles auf die Wiedereroberung. Und alles bedeutete für die heranrückenden und trefflich kanonenbestückten Österreicher, dass alles was nach der Stadt schießen konnte, denn auch nach Mannheim hineinschoss! Während sich die französische Mannschaft verschanzte und erbitterte Gegenwehr leistete, ging Mannheim von Stunde zu Stunde mehr zu Bruch. Am Ende war die alte Capitale so zurückerobert wie zerschossen! 17 Jahre nach dem Ende als Hauptstadt, 1795, lag das so stolze Mannheim vollends entblößt!
Wer die Residenz 2-3 Jahrzehnte vorher gesehen hatte, der erhielt allzu leicht einen Begriff vom entschiedenen Kunstbestreben des Kurfürsten Karl Theodor. Und wer war seinerzeit nicht alles nach der barocken Berühmtheit gekommen: Goethe und Klopstock, Mozart, Lessing und Wieland, Schiller! Um nur die berühmtesten aufzuzählen! Karl Theodor, der auch wirtschaftlich sehr erfolgreich, er hatte überdies die kurpfälzische Akademie der Wissenschaften, das Nationaltheater und das berühmte Mannheimer Orchester gründen lassen. Im Nationaltheater kam es zur Uraufführung von Schillers “Die Räuber“, und die Mannheimer Komponisten, als “Mannheimer Schule“ in die Musikgeschichte eingegangen, waren nichts weniger als Wegbereiter der Klassik.
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Das dem ganzen denn auch die gebührliche architektonische Umgebung keineswegs fehlen durfte, dafür hatte schon Karl Theodors Vorgänger Kurfürst Karl Philipp den Grundstein gelegt, und Karl Theodor vollendete. Das absolutistische Stadtschloss, als zusammenhängendes Gebäu wurde es gar das größte Deutschlands - mit der Jesuitenkirche entstand einer der bedeutendsten süddeutschen Kirchenbauten - das waffenbergende Zeughaus sah aus wie ein italienischer Barockpalast - das Rathaus erhielt unüblicherweise einen prächtigen Turm - ja, zur Wirtschaftsförderung entstand ein Kaufhaus, wiederum mit weithin kündendem prächtigen Turm, schöner als die meisten Residenzschlösser! Und als endlich Goethe um eine Einschätzung des Mannheimer Stadtbildes gebeten, da sah er die aus quadratischen Stadtblöcken zusammengefügte Gestalt ohne weiteres als “heiter“ an. Die Neustadt Mannheim, die sich nie um mittelalterliche Vorgänger, mittelalterliche Winkeligkeit und zu erhaltende Monumente scheren musste, sie stand da wie aus einem Guss; prachtvoll im Kleinen wie im Großen. Sprach man im ausgehenden 18. Jahrhundert von Deutschlands Städten, so fiel der Name Mannheim meist zu Beginn solcher Unterhaltung.
Das Schloss machte also den Anfang der Barockstadt Mannheim; durchaus folgerichtig, denn immerhin signalisierte dessen Anlage ab 1720 auch die neue Bedeutung Mannheims als kurpfälzische Capitale. Nach der Zerstörung der Festung wie auch der Hauptstadt Heidelberg im späten 17. Jahrhundert, zögerten die Kurfürsten den neuen Schlossbau also fast drei Jahrzehnte hinaus, auch weil mit demselben ja untrennbar die Frage nach der Hauptstadt verbunden. Die Kurfürsten Johann Wilhelm und Karl Philipp litten obendrein manch “Schererei“ mit der selbstbewussten Heidelberger Bürgerschaft, die zu allem “Überfluss“ auch noch evangelisch, während sie selbst katholisch, was seinerzeit kein unbedeutend Spannungsfeld. Der erste barocke Entwurf für eine neue große Schlossanlage galt noch Heidelberg, dessen viele Jahrhunderte altes Residenzschloss ja wie die Stadt in Trümmern lag. 1720 dann die Entscheidung für Mannheim. Eine durchaus unerwartete Adelung der bis dato nur als Veste betrachteten Stadt; und welch‘ herber Schlag dagegen für Heidelberg!
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Für Mannheim jedoch ward hiermit der Startschuss zur oben beschriebenen Blüte gegeben. Und die Ambition der Kurpfalz sollte sich ohne weiteres auch am Schlossbau im Stile des großen Vorbildes, dem Versailler Schloss des “Sonnenkönigs” (Ludwig XIV.) ablesen lassen. Was nun umso dringlicher schien, als man mit seinem Schlossbau durchaus hinterher “hinkte“. Die drei anderen großen Barock- und Residenzschlösser am später baden-württembergischen Oberrhein waren zu diesem Zeitpunkt zumindest schon angefangen: Rastatt (Markgrafschaft Baden-Baden) ab 1697, Karlsruhe (Markgrafschaft Baden-Durlach) ab 1715 und Bruchsal (Hochstift Speyer) ab 1719. Mochte also der Mannheimer Palast seine Verspätung durch eine besondere Größe ausgleichen. Und in der Tat ist eben jene dessen ganz besonderes Markenzeichen; dergestalt gar, dass er als unmittelbar zusammenhängender Flügelbau einer der weitläufigsten Europas, der größte Barockpalast überhaupt ganz Deutschlands wurde! Die Kurfürsten Karl Philipp und Karl Theodor suchten den Ruhm also in schierer Ausdehnung. Weil aber die kurpfälzischen Staatskassen nach der unaufhörlichen Drangsal des 17. Jahrhunderts nur bedingt belastbar, zog sich der Bau sage und schreibe 40 Jahre in die Länge (und beanspruchte hintereinander vier leitende Baumeister!); konnte außerdem nur eine moderate und keineswegs üppige Schmückung auf die unabsehbar langen Fassaden gelangen.
Nichtsdestotrotz lässt sich der lange Koloss leicht bewundern. Man gewahrt neben der Größe auch eine schwindelerregende Anzahl einzelner Flügel - diese nun umso leichter, als der geschickte Entwurf einer monotonen Wirkung, wie sie solch große Bauten nur allzu leicht anfällt (siehe Modernismus), entschieden entgegentrat. Allenthalben gewahrt man optische Gelenke, bevorzugt formuliert durch turmartige Pavillonbauten, welche gegenüber den Flügeln um ein Geschoss erhöht, gegenüber den Satteldächern der Flügel durch flache Deckung und umlaufende Balustraden aufmerksam machen. Was also den langen Fassaden an Schmuckreichtum anderer baden-württembergischer und deutscher Schlossbauten fehlen mag, das wird durch eine geschickte Bewegung der Massen ohne weiteres ausgeglichen.
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Die Grundfigur ist die eines riesigen Hufeisens für den repräsentativen und zur Stadt geöffneten Ehrenhof; diesem hängen dann nach Osten und Westen in einer Flucht mehrere Trakte an, die die Stadt, namentlich deren Straßen gleichsam aufzuspannen scheinen. Hinter dem östlichen Abschnitt “verstecken” sich nochmals mehrere Flügel, einen geschlossenen Hof zeichnend. Auf der westlichen Rückseite dagegen kam diese Erweiterung über die Planung nicht hinaus. Auch das Schloss ward durch den Zweiten Weltkrieg schlimm getroffen. Zum großen Glück aber für das Stadtbild baute man wieder auf; was aber das Innenleben angeht, so verschwand manch bedeutender Bestandteil auf immer in den Flammen.
Die schönste Partie des schönsten Abschnitts, also des geräumigen Ehrenhofes, kann auch im Falle des Mannheimer Palastes nur der Corps de Logis sein. Man gewahrt eine Steigerung der Ausschmückung. Gegenüber den langen Seitenarmen, die ein Piano-Nobile-Geschoss nebst einem Mezzaninstockwerk reizvoll auf Arkadengängen herbeiführen, erhöht sich der Anteil des Fassadenschmuckes für die kürzeren Abschnitte rechts und links des Corps de Logis; wie auch diese beiden Partien durch ein höheres Walmdach akzentuiert. Noch höher und noch schmuckvoller dann der Corps de Logis, der sich nach vorne durch das breite fünfachsige Treppenhaus und den um ein Stockwerk höheren “Rittersaal” abzeichnet. Letzterer, der wiederhergestellte kurfürstliche Prachtsaal, gibt sich zur Rückseite, damit zum ehemaligen Schlosspark, noch effektvoller: ein Arkaden-Altan hebt hier den hohen Baukörper, welcher durch abgerundete Ecken umso markanter, auf sehr ungewöhnliche Weise in die Höhe. Zahlreiche Pilaster und Segmentbogengiebel über den plastisch geformten Fensterrahmungen dürfen denn am Corps de Logis nicht fehlen, dessen Pracht für das Portal zum Ehrenhof die letzte Steigerung erfährt.
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Der Feierlichkeit des Corps de Logis am nächsten kommen die beiden äußeren Ecken der Innenseite des Ehrenhofs: von Turmpavillons akzentuiert, gewahrt man je einen zurückweichenden übergiebelten Abschnitt mit hohen Rundbogenfenstern, welche als ehemalige Hofkirche (Westseite) und Kabinettsbibliothek (Ostseite) die Queransicht und erster Abschnitt der langen an den Ehrenhof anschließenden Flügelbauten.
Und bedenke man am Ende nochmals der gewaltigen Ausdehnung: die lange Stadtseite misst sage und schreibe 440 Meter!
Was den Residenzschlössern in Rastatt und Karlsruhe die geschickte Führung der Straßen, welche gleichsam als “Strahlen” am Schloss ihren Ausgang nehmen und so alle Blicke immer wieder zum Schloss ziehen, das ist dem Mannheimer Palast die schiere Länge: sieben Straßen des rechtwinkligen Gitters treffen auf die lange Stadtfront! Ein Bündelung der Straßen wie in Rastatt und noch schöner im Strahlenkranz Karlsruhes, hatte der lange Koloss schlicht und ergreifend nicht nötig.
Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Stadt und Landschaft
2) Kupferstich und Stadtbeschreibung Matthäus Merians aus “Topographia Palatinatus Rheni”
3) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
4) “Mannheim in alten Ansichtskarten”, Gondrom Verlag, Bindlach 1995
5) Homepage www.mannheim.de
6) Informationstafeln vor Ort
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