Schlösser und Burgen in Baden-Württemberg
  Favorite
 

Nach der unübertrefflichen Anlage des kurpfälzischen Schwetzingen gewahrt man im "Favorite", welches situiert zwischen Rastatt und Baden-Baden, das schönste barocke Lustschloss im Badischen.
Wir verdanken es der Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden, die das Prunkwerk 1710-12 wenige Jahre nach dem Hinscheiden ihres Gatten, des berühmten "Türkenlouis" (dem größten badischen Militärhelden), durch den bewährten Hofarchitekten Michael Ludwig Rohrer ausführen lies. Markgräfin Sybilla Augusta war 20 Jahre jünger als Markgraf Ludwig Wilhelm, stammte aus Böhmen und brachte erhebliche Mitgift in die Ehe ein. Indessen war es ihr also möglich sowohl das große Rastatter Stadtschloss auch nach dem tragischen Tod ihres Gatten zu vollenden, als auch jenes nun vorgestellte Juwel erstrahlen zu lassen.
Zunächst beeindruckt die reizende Landschaft. Das Schloss steht durchaus noch entschieden in der Rheinebene. Alsbald aber hebt sich der Nordschwarzwald in die Höhe, auch sendet der Eingang des schönen Murgtales liebe Grüße. Nach Westen — Richtung Rhein — alles flach, nach Osten das Gebirgspanorama. Das Schlossareal liegt zwar in der Nähe des Dorfes KUPPENHEIM, jedoch ohne besonderen Bezug, umgeben vielmehr von freier Landschaft, Feldern und Wiesen, auch Waldpartien; zumeist hat man schöne Ausblicke in den beschriebenen Rahmen. Die nächste Umgebung des Schlosses, gleichsam übergehend in die Landschaft, umschreibt ein sehr ansehnlicher, natürlich angelegter PARK. Schlossgebäude und Park sind von solcher Schönheit, dass man schnell, ja ganz unverzüglich den mancherlei Reizen erliegt. Und der Autor greift kaum zu hoch von einem kleinen Paradiese zu sprechen. Zu rühmen der in der Tat juwelhafte Charakter des eigentlichen Schlosses, das wohl voller Schmuck und Pracht, aber von nicht besonderer Größe noch mit bescheidenem Zug; wie nun ein Juwel zumeist von schönem Beiwerk gefasst, so das Favorite in seinem glänzenden Park.


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Unser Juwel ist eine DREIFLÜGELANLAGE: ein Hauptflügel und zwei dergestalt kurze Seitenflügel, dass sie mehr breit als lang sind. Zur GARTENSEITE, der mir anmutigeren Seite, zeigt sich nur der Hauptflügel, welcher zur dem Barockstil obligaten Symmetrie einen Mittelrisalit mit Dreiecksgiebel und eine herrlich geschwungene, zweiläufige Freitreppe nach vorne treten lässt. Zur weiteren Betonung lugt ein oktogonale Dachreiter mit Zwiebeldach über den Giebel. Man sichtet drei Geschosse: Erd- und Obergeschoss durch eine kolossale korinthische Pilasterordnung zusammengefasst, das oberste aber als eine Art Mezzaningeschoss, welches also bei geringerer Höhe das Fassadenbild gekonnt abrundet.
Die EINGANGSSEITE, die freilich auch im Stande einer Gartenseite, führt einen (sehr) kleinen Ehrenhof aus. Diese Ansicht erscheint im ersten Moment durchaus ein wenig merkwürdig, oder besser gesagt: unkonventionell — weil nämlich die eingerückte Mittelpartie mit Corps de Logis nur so breit wie die beiden Seitenflügel (jeweils fünf Fensterachsen). Dafür aber wird diese Gebäudeansicht durch Beiwerk bestens inszeniert. In Verlängerung der Seitenflügel führen je zwei Baumreihen weit vom Schloss weg. Eine Geste, die in zwei gleichlangen ORANGERIEN, welche abgerückt, aber parallel zu den Baumreihen je einen auf das Schloss zuführenden Weg freigeben, glückliche Unterstützung gewinnt. Ein streng geometrisches Bild, zweifellos markant und ohne weiteres von ausgesuchter Schönheit.
Die Orangerien halten sich angenehm zurück, eindeutig also das Schloss im Vordergrund. In Teilen zeigen die beiden langen Bauten überaus merkwürdige Arkaden: Rechteckpfeiler gehen zäsurlos in Bögen über, dazu über den Pfeilern stehende ovale Öffnungen. Auf diese Weise entsteht eine effektvolle, fließende Struktur, wie man sie dem lustig spielenden Rokoko gerne zugesteht und der man obendrauf Einzigartigkeit bescheinigen darf (jedenfalls kennt der Autor kein zweites Beispiel solcher Machart.

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In nunmehr einiger Entfernung vom Palast gelangt man noch zu einigen KAVALIERHÄUSERN und dem Rundbau der MAGDALENENKAPELLE. Die Bauten sind durchweg klein, die Fassaden zwar ordentlich gedacht, alleine nach all der Lust zuvor denn doch ein wenig nüchtern. Als Gegenakzent zum Schlosse hätte man ihnen wieder größeren Detailreichtum angedeihen lassen können (am ehesten lässt sich vermuten, dass die haushaltende Markgräfin hier die Schatulle lieber "geschlossen" hielt).
Was also den Fassadenschmuck betrifft, die so oft und genauso oft zu unrecht geschmähte barocke Formenpracht, so wurden alle Anstrengungen auf das Palais selbst konzentriert. Werfen wir, nachdem noch mancher lauschige Platz im großen Park gefunden wurde, vielleicht auch Stärkung im Cafe in einem der vier Kavalierhäuser, einen abschließenden Blick auf den trefflichen Schlossbau.
Freilich herrscht hier Prunk zuhauf, jedoch nicht ohne die in diesem Falle "lebensnotwendige" Disziplin; im Grunde nämlich bleibt die Anzahl verschiedener Details in überschaubarer Größenordnung. Alles aber wurde mit großer Lust am Formenspiel geschwungen und geschweift, was schließlich jenen besonderen Eindruck der Üppigkeit zeugt. Die Fensterrahmungen wechseln von Geschoss zu Geschoss und zwischen den Öffnungsachsen gliedern Pilaster recht streng. Phantasievoll interpretieren sie die korinthische Ordnung.


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Was aber bei näherem Hinsehen bald am meisten auffällt ist das Material der Fassade, namentlich der Kieselverputz, der als Anklang an die Heimat der Markgräfin, Schloss Schlackenwerth in Böhmen, auf die Fassade verbracht wurde.
Am ehesten und merkwürdigerweise lässt sich der markante Eindruck vergleichen mit dem Waschbeton der 1970er Jahre, und so mag man sich wohl verwundern, dass solcher Optik auch ein Erfolg beschieden werden kann. Obgleich nämlich die Parallele zur Unart des Waschbetons zunächst Bürde, so beruhigt man sich ob der offenkundigen Schönheit doch recht schnell. Zum einen nämlich ist der verwendete Kiesel von erfrischender grüner Farbe, zum anderen wird er beständig durch Pilaster oder andere Fassadenelemente gegliedert, so dass er von ganz anderer Wirkung als sein modernistischer Genosse, der immer in großen Flächen und bar jeglichen Kunstgriffes an die Fassaden geworfen. Auch muss man dem Kieselverputz ob seiner damaligen ausgewiesenen Originalität ein Lob spenden.
Vielleicht noch spektakulärer die INNENRÄUME des Palais', die noch heutigentags im Originalzustand! Die prächtige Ausstattung wartet auf mit tatsächlich unbezahlbaren Schätzen an Keramik, Porzellan und Fayencekunst. Man steht in ungetrübten Rokoko-Träumen, sich allenthalben "trunken" von Spiel und Farbe die Augen reibend und vermeint sich endlich um 250 Jahre in badisch-markgräfliche Vergangenheit gezaubert. Ein glanzvolles, allumfassendes Schauspiel, das durch den traurigen Anlass so mancher Kriegszerstörung oder durch spätere Umbauten seinesgleichen sucht in Baden, ja in ganz Deutschland.


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.schloesser-magazin.de
4) örtliche Informationstafeln


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