Schlösser und Burgen in Baden-Württemberg
  Hohenbaden
 

Das sogenannte Alte Schloss, hoch über Baden-Baden, gefällt sich unter den schönsten Burgruinen Baden-Württembergs, was uns freilich nicht Wunder nehmen darf, war sie doch seit alters her, namentlich seit Beginn des 12. Jahrhunderts Stammsitz der badischen Markgrafen. Hier also nahmen die badischen Markgrafen das erste Mal Residenz, entsprechende Aufmerksamkeit ward dem Gebäu gewidmet; in drei Etappen nämlich entstand eine repräsentative Anlage hohes Anspruchs: die romanische Oberburg — bereits Burg Hohenbaden genannt — wurde durch Markgraf Bernhard (den einzig Heiliggesprochenen unter Deutschlands Fürsten) im 14./15. Jahrhundert um die gotische Unterburg erweitert, dann im 15. Jahrhundert durch Markgraf Jakob ein weiteres und zugleich letztes Mal ausgebaut (wiederum im gotischen Stile).
Langsam aber ging die Zeit entrückter, abgelegener Burgen zu Ende, indessen nämlich die Fürsten immer häufiger in den Schlössern ihrer Hauptstädte nach Residenz suchten. Kam also auch Hohenbaden "aus der Mode", durchaus traurigen Blickes auf die neue Residenz der baden-badischen Markgrafen kaum zwei Kilometer unter ihr, das sogenannte Neue Schloss — ein imponierendes Aussehen aber verblieb der mächtigen Veste, und so ward Hohenbaden nie ganz vergessen.
Dann aber, Ende des 16. Jahrhunderts brannte die Burg nieder, eine dunkle Zeit für das Werk aus der "dunklen" Zeit des Mittelalters schließlich doch einläutend. Hohenbaden wurde Ruine, uninteressant. An eine zweite Karriere zu denken verbot sich.


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Neue Zeiten freilich sahen es anders, holten das mehr und mehr verfallene Gemäuer wieder ins Bewusstsein. Dieser so kurz beschriebene Zeitraum dauerte zwar lange 200 Jahre — bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Burgenromantik erstmals Atem holte, dann aber war der neuerliche Aufstieg Hohenbadens kaum mehr zu bremsen; aus einer der schönsten Burgen Badens nämlich fand man nun eine der schönsten Ruinen. Dass Baden-Baden in jenen Tagen, nach der Zerstörung 1689 gleichsam einem Dornröschen-Schlaf anheim gefallen, als Kurort wiederentdeckt, zu neuem Ruhme sich aufschwang, tat ein übriges. In der wunderbaren die Stadt umgebenden Landschaft des Nordschwarzwaldes, ward Hohenbaden am Battertfelsen zum i-Tüpfelchen erkoren, bald erschlossen, mehr noch bewundert. Nirgendwo zu unrecht! Hohenbaden nämlich bietet mancherlei Vorzüge, welche endlich addiert, eine leicht nachvollziehbare Vorrangstellung unter Badens Burgruinen begründen.
Zunächst, just touchiert, die vom Alten Schlosse regierte Landschaft, welche überall reizvoll kaum abwechslungsreicher sein könnte. Man blickt in die Weite der Rheinebene, ein wenig zurückgezogen wohl, nurmehr zur Rahmung, ja Steigerung der erbaulichen Aussicht; auch der sich schon hoch auftürmende Schwarzwald steht bereit, zur Beförderung der Perspektive sich schrittweise emporhebend; überaus ansehnlich auch die bizarre Formation der Battertfelsen, welche lustig turmartig sich direkt anschließen, die Burg auch um einige Meter überragen; endlich das Oostal, dessen Weg vom Schwarzwald in die Rheinebene nachvollziehbar, und, was hier am wichtigsten, das ja Baden-Baden mit sich führt - kurzum man genießt beste Aussicht auf eine der schönsten Städte Deutschlands.


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Blickt man nun auf Hohenbaden selbst, so fällt zunächst die enorme Größe der Anlage auf, mehr vielleicht noch die beeindruckende Höhenentwicklung, welche von wahrhaft monumentalem Charakter — bald auch eine Komplexität, ja eine geschickte Verschachtelung der verschiedenen Partien.
Die Außenansicht alleine begründet schon ihren Ruhm. Die Markgrafen, in dem Bemühen ihrer Residenz weitere Räumlichkeiten zu gewinnen, allem Anscheine nach nicht willens die gut zu verteidigende Kompaktheit aufzugeben, konstruierten ihre Veste — was lag also näher — einfach und konsequent in die Höhe. So hat sich wohl mancher schon beim ehrfürchtigen Blick in ferne Höhen den Hals verrenkt. Und, wenn man‘s annehmen will die Kathedrale unter Baden-Württembergs Burgen, eine, heutigentags würde man sagen beeindruckende Ingenieursleistung, die durchaus an die Kühnheiten mittelalterlichen Kirchenbaus erinnert. Darüber natürlich zu einer echte Trutzburg erkoren, berechnet abweisend, und dennoch mehr als nackte Wehrhaftigkeit. Die in diesem Zusammenhang zumeist beeindruckende Unterburg, welche, vorangestellt, gleichsam Visitenkarte Hohenbadens, nämlich wurde ab bestimmter Höhe von kunstvollen spätgotischen Fenstern durchbrochen, welche also dem Wehrhaften blanker Höhe noch rechtzeitig ein ästhetisches Moment eindrücken.
Jenes Kunstvolle will uns noch zu einem generellen Vorzug des Alten Schlosses werden; zunächst aber gilt es endlich die Burganlage zu betreten, einzutauchen in die Komplexität. Grob veranschaulicht besteht das Burgengebilde aus vier einzelnen Partien. Durchschreitet man also den Torbogen hat man zur linken Hand eine Reihe von Nebengebäuden, welche bei hohem Anteil originaler Substanz zu einem Restaurant mit geschützter Terrasse wiedererrichtet wurden (das meiste löblich, also formal verträglich).


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Rechts aber jagt die Unterburg förmlich in die Höhe; darin eine Öffnung, gleich dem dunkelsten Schlund, unheimlich genug, welche denn doch unwiderstehlich anzieht.
Haben sich die Augen erst an die Dunkelheit gewöhnt, formt das spärliche Licht den gruseligsten Gewölbekeller, keineswegs klein, vielmehr von beinahe irritierender Größe — so recht ein Burgenverlies beinahe schon vergessener Kindheitserinnerungen. Eine breite Treppe führt glücklich wieder ins Leben. Dann vermeint man sich plötzlich in engster Schlucht, roher Felsen und Gemäuer fließen hilflos ineinander, dabei schwindelerregende Höhen gewinnend. Beinahe fürchtet man Steinschlag, und doch ist‘s nur der Burghof.
Kaum besser geht‘s einem in der entkernten Unterburg selbst, in die man nun via gotischem Spitzbogen schlüpft. Auch hier nämlich türmen sich die Mauern gewaltig in die Höhe — zwar besitzt der leergeräumte, rechteckige Grundriss einige Größe, und dennoch, wären nicht überall schöne Fenster in die zwei- bis dreigeschossigen Wände gestoßen, man wähnte sich wohl in einem Gefängnishofe. Das freilich ficht nicht an, denn wie vom Gewölbe oder dem Burghof ist man ob der ungewohnten Wirkung einfach zur Sprachlosigkeit ergriffen. Die gewaltigen Steinmassen vertreiben die Gedanken, sind lange Zeit so recht nur für die Sinne, bloße Wahrnehmung geschaffen.


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Die dritte Partie der Anlage drohte schon im Burghofe niederzuschlagen. Es ist die ursprünglich romanische Oberburg — einige ihrer Mauern stammen auch noch aus dem 12. Jahrhundert, Details dieser Stilepoche dagegen finden sich nur noch wenige. Man ersteigt sie durch eine lange Treppe, die reizvoll-kurios auch Anlass gibt die Mauerkrone der Unterburg zu erobern. Das nämlich verdient großes Lob, die Ruine wurde bestens erschlossen: man kann den Bergfried erklimmen, aber auch auf den erhaltenen Außenmauern von Unter- und Oberburg dank gesicherter Wege herumspazieren und hier erst einen Begriff der Komplexität der Verschachtelungen gewinnen.
Durch das Innere der gleichfalls weitgehend entkernten Oberburg hindurch hat man gleichfalls zahlreiche Höhenmeter zu überwinden, einen entsprechend merkwürdigen, ganz zerschlagenen Eindruck hinterlässt dieser Raum. Dann aber schraubt sich das vierte Hauptorgan in die Höhe: der wuchtige, viereckige Bergfried. Auf Öffnungen verzichtete man beinahe gänzlich, nichtsdestotrotz macht er als sandsteingelber Kubus einen effektvollen Eindruck; so mir zumindest, da ich das geheimnisvolle Schattenspiel eines großen winterkahlen Baumes, welches er, zwischen Oberburg und Bergfried hervorgewachsen, auf letzteren werfend, bewundern darf.


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Durch den dunklen Bergfried ins Lichte seiner Aussichtsplattform. Das faszinierende Panorama, oben bereits beschrieben, lässt sich um eine interessante Blickverbindung ergänzen, namentlich zur Yburg, einer gleichfalls beeindruckenden Ruine, welche in Luftlinie nur wenige Kilometer entfernt.
Muss man denn konstatieren, dass der Gang durch die Ruine durchaus einer Inszenierung gleichkommt. Denn die kontinuierliche Steigerung Nebengebäude - Unterburg - Oberburg - Bergfried ist keineswegs willkürliche Führung des Autoren, sondern von selbst gegeben, durch die aufsteigende Topographie befördert und nicht anders als mutwillig zu umgehen.
Tatsächlich also wirkt bei der Ruine Hohenbaden alles harmonisch zusammen, zu ergänzen alleine um einen letzten wichtigen Aspekt: das kunstvolle Detail. Nichts adelt die blanken Mauermassen der Burgen mehr als erhaltene Einzelheiten — Fensterrahmungen, Portale und dergleichen. Zur Rohheit, bemüht um Ausgleich tritt dann die Ästhetik im Kleinen. Hohenbaden bietet davon noch soviel, wie sonst keine andere Burg Badens, in der Art eines kleinen Formenlexikons der Gotik. Allem Anscheine nach, und obgleich immer weiter verfallend, hat man das schlimmste verhindert, nämlich die Nutzung der Ruine des 17./18. Jahrhunderts als profanen, billigen Steinbruch, was leider beinahe Standardprozedur in solchen Fällen
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Das nun bedeutet einen guten Erhalt der Außenmauern und damit natürlich auch der sie zierenden Details. Um die Oberburg zum Beispiel zieht sich ein Rundbogenfries (mit ungewöhnlich weiten Bögen), der den Wehrgang leicht auskragen lässt. Dieser bildet an den Ecken Rundungen aus, die in feinstem Formenkontrast zu den Kanten unter ihnen. Ansonsten findet man Öffnungen verschiedenster Formate, gebildet beinahe durchgängig noch durch sorgfältig gearbeitete Gewände. Diese zeigen gerne den gotischen Spitzbogen oder die Dreiteilung, welche das mittlere Fenster ein wenig erhöht. Endlich sollte man auch der zahlreichen gut erhalten Sitznischen in den tiefen Außenwänden, den Kaminresten, einer Säule im Hof der Unteren Burg die Erwähnung nicht verweigern.
Man darf es wohl als einen besonderen Glücksfall nehmen, dass ausgerechnet die Stammburg der badischen Markgrafen, welche als spätere Großherzöge Baden als Ganzes ja erst formten, obgleich ruinös in solch gutem Zustande. Wohl blieb auch diesem glänzenden Schlosse der zerstörende Schicksalsschlag nicht erspart, jedoch nur in dem Maße, als Hohenbaden noch heute mit Leichtigkeit die zukommende Bedeutung preis gibt.


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ruine und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) örtliche Informationstafel.


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