Schlösser und Burgen in Baden-Württemberg
  Veste Dilsberg
 

Die Veste Dilsberg zählt zu den ruhmvollsten Befestigungen in der Region des späteren Baden-Württemberg. Was einst die strategische Bedeutung ausmachte, lässt sich noch heute durch Anschauung der überaus reizvollen landschaftlichen Situierung leicht begreifen. Im Neckartal zwischen Eberbach und Neckargemünd, gegenüber der an den Fluss greifenden hessischen Landzunge mit der Stadt Neckarsteinach hebt sich ein Bergkegel, der gleich an drei Seiten vom Neckar gefasst, in die Höhe. Teils gemächlich, teils abrupt nimmt der Sporn seinen Weg; im letzten, im oberen Abschnitt aber lässt er nur noch steiles Gelände gelten. Und hier setzt denn auch die alte kurpfälzische Veste ein, ihren Bergkegel trutzig, ja drohend bekrönend.
Man findet hier eine der spannungsvollsten Verbindungen von Landschaft und Stadt in ganz Baden-Württemberg - eine Verbindung, die auch noch bestens zu gewahren, denn die Verkehrswege durch das Flusstal führen entlang der gegenüberliegenden Uferseite. Da erfasst man je nach Perspektive ein noch säuberlich von hohen Mauern gefasstes Bollwerk; denselben sitzen über längere Strecken Häuser auf, was die monumentale Wirkung sichtlich steigert. Dann sprießen zwei schlanke Türme aus dem Mauerring empor; die “Finger” der beiden Stadtkirchen sind wie die Mauern aus Steinfassaden erbaut, fügen sich entsprechend harmonisch ein. Was aber die abweisende Wirkung vollendet, sind noch höhere Mauern, die, nur an Umfang vernehmlich kleiner, als ein zweiter Bering aus der ersten Umwallung deutlich hervortreten. In solcher mauerstrotzend abweisenden Geste scheinen selbst die beiden Campanile einbezogen, gleichsam als die Umgegend absuchende Wächter. Dieses Bild, am besten zu fassen aus Richtung Neckargemünd kommend, strahlt noch heute echt mittelalterlichen Geist aus. Es sind die Unbilden der Natur, die steile und felsige Bergkuppe, die sich einem Festungsbau anempfahlen - und die bis heute deren mauergefasste Ansicht von etwaigen Ortserweiterungen, von Verwässerung der streng definierten Ansicht bewahren konnte. Für das an trefflichen Stadt- und Burgbildern so reiche Neckartal ward darüber ein spezielles, ein weiteres Charakteristikum hinzugewonnen.
Solcher Ansicht gebührt denn auch eine besondere, unbedingt eine ruhmvolle Historie. Und solche begann, obgleich die Veste Jahrhunderte älter, in der größten Drangsal der baden-württembergischen Territorien, im 17. Jahrhundert.
Die protestantische Kurpfalz war von Anfang an in den 30jährigen Krieg verwickelt; durch Kurfürst Friedrich V., der als von Österreich-Habsburg entschieden abgelehnter König von Böhmen gar indirekt diesen großen Krieg auslöste. Und so standen die katholisch-kaiserlichen Truppen unter dem berühmten General Tilly, der zunächst kurpfälzische Stadt auf kurpfälzische Stadt eroberte, auch bald vor der Hauptstadt Heidelberg, damit aber auch vor der von der Kapitale nur wenige Kilometer entfernten Festung Dilsberg: 1621 (drei Jahre nach Ausbruch des Konfliktes). Das Bollwerk flößte Respekt ein, nichtsdestotrotz ward es heftig bestürmt; bestürmt aber nur um standzuhalten! Der Dilsberg trotzte. Nicht das letzte Mal, und ebenso nicht das letzte Mal kam er doch in Feindes Hand. Wann immer nämlich fortan die benachbarte Kapitale fallen würde, war auch die Kapitulation des Dilsberg nicht mehr ferne. Die Mauern, Wälle und Gräben, die verteidigende Besatzung verdienten sich wohl nicht geringen Ruhm durch Unüberwindlichkeit; am Ende aber kam immer dieselbe Anordnung aus eigenen Reihen: “Eröffnet die Festungstüre!” So also 1622, als dem Tilly geöffnet. So auch 1633, als die protestantischen Schweden offiziell zurückeroberten (ohne sich freilich besonders um die Kurpfalz zu scheren). Und 1635 ging’s wieder umgekehrt, stand der Dilsberg wieder unter kaiserlicher Flagge. Diese ward am Ende wieder abgezogen, am Ende des fürchterlichen großen Krieges, 1648 bei Zurückgabe an die Kurpfalz.


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Damit freilich war die Drangsal dieses grausigen Jahrhunderts noch keineswegs vollendet. Niemand hätte das seinerzeit für möglich gehalten, aber es sollte tatsächlich noch schlimmer kommen. Ludwig XIV., der “gottgleiche” Sonnenkönig griff über den Rhein, offiziell im Erbgang auch nach der Kurpfalz. Eingekreist war er, bedenklich isoliert in Westeuropa (in Osteuropa hatte der “Fuchs” immerhin die gegen Österreich-Ungarn anrennenden Osmanen). Da schwebte dem Zerstörer Badens eine Niemandsland zwischen sich und dem Deutschen Reich vor, anzulegen freilich auf dem Territorium des letzteren, anzulegen rechts des Rheines. In den 1670ern, im Holländischen Krieg wurden die Städte und Burgen Südbadens zerstört oder okkupiert (Freiburg, Breisach). Und ab 1689 dann Nordbaden. Heidelberg fiel, wurde nach der zweiten Eroberung 1693 baulich nahezu ausgelöscht. Schon nach der ersten Inbesitznahme der Hauptstadt musste auch der Dilsberg 1690 wiederum übergeben werden. Da standen Burg und Stadt in größter Gefahr niedergelegt zu werden, entsprechend dem üblichen Vorgehen von des Sonnenkönigs Generälen. Um aber das Leben der alsbald von Reichstruppen eingekreisten Besatzung zu erhalten, zog dieselbe ohne Schleifbefehl wieder von dannen. Ohne erobert zu werden hatte die Veste im 17. Jahrhundert sechs Mal den Besitzer gewechselt. In ihrer größten Gefahr stand sie im letzten Jahrzehnt; auch diese überstand sie.
Dann endlich, endlich kehrte die Ruhe zurück. Das gräuliche 17. Jahrhundert hatte ausgewütet. Die Kurpfalz erstand aufs Neue. Und die vorher schon bedeutendere Veste Mannheim, die sternenförmige Schanzenanlage auf der Halbinsel an der Mündung Neckar-Rhein wurde die neue Kapitale. Damit verlor Dilsberg zwar die unmittelbare Nähe zur Hauptstadt, jedoch nicht die kurfürstliche Gunst. Man wurde nun Garnisonsstadt, erhielt zu diesem Behufe auch ein neues Amtshaus an der inneren Burg, auch eine neue Kirche - beides im zeitgemäßen Barockstil. Und wenn auch die Bedeutung solcher Festungsanlagen ob ständig verbesserter Geschütztechnik mehr und mehr schwand, die Festung blieb bestehen.
Zuletzt zogen sogenannte Invaliden, d.h. pensionierte Soldaten ein. Der Dilsberg damit ein Altersruheheim? Mitnichten! Eher eine Stätte der Lebens- und Kriegserfahrung, eine Stätte der Altersroutine und kühler Berechnung. Ausgerechnet diesen Invaliden nämlich sollte der größte Coup in der Historie dieses Bollwerks gelingen, und das auch noch als die Veste tatsächlich bedenklich “aus der Mode” gekommen war.
Mit Ausklang des 18. Jahrhunderts schwärmten die Heere Napoleons nach ganz Europa aus, zunächst als Revolutionsheere der blutjungen (und bluttriefenden) Republik, dann als Streitmacht des napoleonischen Kaiserreiches. Europa vermochte dem Kriegsgenie Napoleons nicht zu widerstehen. Und so sank alles danieder, bis und einschließlich Moskau (obgleich hier der Anfang vom Ende).
Alles sank dahin. Nur einer nicht: der Dilsberg. Obgleich die Veste den neusten Kanonen durchaus nur noch Spott, so verblieb dennoch die glänzende Stellung des Bollwerks, klug genug denn auch verteidigt von den Veteranen. Eine der merkwürdigsten Begebenheiten der napoleonischen Kriege: der Dilsberg widerstand 1799 dem Angriff der Revolutionstruppen! Eine der merkwürdigsten und freilich auch ruhmvollsten Begebenheiten; aber denn auch nur Fußnote. Die Festung war aus sich selbst ja keineswegs lebensfähig, und so umgingen die Truppen einfach, bis Dilsberg mal wieder unspektakulär übergeben wurde. Und dennoch, die erfolgreiche Abwehrschlacht, sie war nicht nur ein neuerliches Ausrufezeichen der Veste, zugleich nämlich war sie das letzte militärische Ausrufezeichen überhaupt der Kurpfalz!

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Wenige Jahre später fanden sich die rechtsrheinischen Gebiete, damit auch Dilsberg, in der Hand des alsbald zum Kurfürsten und Großherzog aufsteigenden badischen Markgrafen wieder. Von Napoleons Gnaden freilich, ohne eine einzige Kriegshandlung der Markgrafschaft gegen die Kurpfalz.
Das Schicksal hatte offenkundig starke Bande zwischen der Kurpfalz und dem Dilsberg geknüpft. Was denn auch nicht verwundern mag, hielt diese Partnerschaft doch bereits seit fast 700 Jahren - und vorher schon hatte man rund 150 Jahre um die stämmige Schönheit geworben. Um 1150 wurde die innere Burg von den Grafen von Lauffen errichtet, dienstbar dem Bistum Worms und einflussreich bis zum Königs- und Kaiserthron des Reiches. Den Pfalzgrafen bei Rhein, den späteren Kurfürsten der Pfalz gefiel diese Machtbasis des konkurrierenden Wormser Bistums so unmittelbar zu Heidelberg (1170 gegründet), wie man sich leicht ausmalen kann, überhaupt nicht. Eine gewaltsame Inbesitznahme war ausgeschlossen, selbst als ab 1219 nur noch der lokale Odenwälder Adel der Herren von Dürn durch Erbgang an die Burg kam. Man warb vielmehr um diesen für die Herrschaft über das Neckartal so wichtigen strategischen Punkt. An solch glänzender Position hatten die Lauffener eine polygonale Burg errichtet, dass sie beim Bau vielleicht noch auf antike Überreste einer römischen Signalstation oder einer keltischen/alemannischen Fluchtburg stießen (große verbaute Steinquader können für die letzteren ausgelegt werden). Man warb also und warb und warb. Bis endlich zwischen 1310 und 1340 (genauer weiß man es nicht) des Werbens ein erfolgreiches Ende.
Und in solchem Überschwange legten die Pfalzgrafen sogleich eine Stadt an die Burgmauern (1347). Ab diesem Zeitpunkt wurde aus der noch kleinen Burg schrittweise die durchaus weitläufige Festungsanlage, welche später so trotzig. Die eigentliche Stadt aber, d.h. die Häuser und ihre Bürger kamen über den Status eines Anhängsels nie wirklich hinaus. Dilsberg wurde Kellerei und kurpfälzisches Unteramt, entsprechend bedeutend für die Kurfürsten; bedeutend in erster Linie aber immer als Festung (und nicht als Stadt) nahe der Hauptstadt Heidelberg.
Das Schicksal hatte also allen Grund starke Bande zwischen der Kurpfalz und Dilsberg zu knüpfen. Und so kam mit dem Ende der Kurpfalz auch das Ende der Festung. Dem Großherzogtum jedenfalls, das sich ja jederzeit wieder deutschen Interessen zuneigen konnte, traute Napoleon nur soweit als es ganz festungslos sein musste. Baden durfte also keine Bollwerke mehr führen; dem ungeachtet aber war der Wert solcher Festungen ganz allgemein ins bodenlose gesunken. Ab 1804 kam Dilsberg nur noch die Funktion als militärische Haftanstalt zur Hilfe, genauer zur letzten Hilfe. Wenige Jahre später stand die nicht mehr wertgeachtete Veste ganz ohne militärischen Gebrauch.


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Die Veste Dilsberg hatte bis dato allen Feinden getrotzt, war im Kampfe unüberwunden. Wie aber so häufig, wenn alle äußeren Feinde überwunden, dann tritt ein noch gefährlicherer Gegner auf den Plan: der innere Feind. Zunächst nicht bemerkt, zieht er listig die Fäden, bündelt die notwendige Macht und fällt dann erfolgreich über den ahnungslosen “Freund” her, welcher dann überhaupt nicht weiß wie ihm geschieht.
So auch die arme Veste. Wohl hatte sie keine militärische Funktion mehr, aber das focht die mächtigen, gleichsam für die “Ewigkeit” gebauten Mauern ja nicht im mindesten an. Wie ratlos aber blickten die kanonentrotzenden Mauern aus ihren Mörtelfugen, als man sie ohne besondere Gewalt Stein für Stein abtrug! Ab 1822, keine drei Jahrzehnte nach dem größten Husarenstreich gegen die napoleonischen Truppen, verkamen die starken Mauern zu einem billigen Steinbruch. Was kein wutschnaubender Feind vermochte, die Zerstörung des Bollwerks, das kam nun aus der bequemen und sparsamen Hand des Burgherrn! Der badische Staat hatte den Abtrag der Mauern freigegeben, freigegeben zum Bau von Bürgerhäusern. Das das eigentliche Ende der stolzen Veste. Eine Ende, das erst im letzten Moment noch aufgehalten - aufgehalten um denn dem “ausgeschlachteten” Gebäu eine neue Karriere als romantische Ruine zu bescheren.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, mit dem Einsetzen der Burgenbegeisterung fand das geschundene Gemäuer der alten Veste neue Freunde, ja immer mehr neue Freunde. Und seither kann man eine der einst abweisendsten Festungen als eine der reizvollsten Ruinen Badens bewundern. Sehr hilfreich tritt die glanzvolle landschaftliche Einbettung hinzu, soviel wurde oben schon beschrieben; zu ergänzen um den zwangsläufigen Umkehrschluss, die treffliche Aussichtsmöglichkeit. Sie war ja neben der Uneinnehmbarkeit schon auch der zweite militärstrategische Vorzug. Und wie seinerzeit die Burgwächter nach Feinden im sich dahinschlängelnden Tal des Neckars, oder in den Hügeln des Odenwalds und Kraichgaus spähten, die letzteren ob der exponierten, von der aufragenden Burg noch weiter erhöhten Position gar sehr weit einsehen konnten - so ergötzen sich heutigentags die jährlich 100.000 Besucher (!) schlicht am bedeutenden Reiz solcher umgebenden Landschaft.
Obgleich die Festungsbauten fast allesamt gelitten haben, so bleibt insbesondere die Gesamtwirkung noch heute sehr ansehnlich; ja der Geist des einst unüberwindlichen Bollwerks durchweht noch allenthalben. Seit jeher führt nur eine einzige Straße den steilen Sporn hinauf. Und noch bevor man das erhaltene Stadttor auf dessen Spitze erreicht, grüßen rechter Hand wuchtige Mauerreste eines weit nach vorne geschobenen großen Vorwerks, einer spitzen Schanze. Durch dieses heute als Park angelegte Vorwerk war in früheren Jahrhunderten das Stadttor effektiv gesichert. Am auffälligsten hier der bullige Überrest des sogenannten Pulverturmes.


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Freilich werden hier alle Blicke schon vom Torturm gebannt. In barocken Tagen wohl umgebaut (1756) zeigt er ungebrochen mittelalterliche Ausstrahlung. Über dem hohen Rundbogen kragt ein Stockwerk höher ein Fachwerkgeschoss mit Zeltdach aus. Diese schon treffliche Ansicht wird durch die rechts und links anschließenden Stadtmauerzüge vollendet. Zwar wurden die Wehrmauern zu Wohnungswänden umgewidmet, also mit Fenstern gelöchert - der Prospekt aber, weiter bereichert durch hohe Ziegeldächer, gefällt sich noch ohne weiteres in mittelalterlicher Monumentalität. Ein hohe Mauer aus rohem roten Sandstein definiert hier also trefflich den Altstadtrand; wie sie auch ansonsten noch fast überall den Übergang Festung zur Natur scharf markiert.
Durch den Torbogen verheißt schon das erste sichtbare Stadthaus, errichtet aus feingliedrigem Fachwerk, nur Gutes. In solcher Stimmung jedenfalls will man nach diesem Auftakt die Gassen der sich an das Tor anschließenden Altstadt durchlaufen. Alleine hier liegt denn eine der wenigen Enttäuschungen Dilsbergs. Wie die Festungsbauten ihre ursprüngliche “Herrlichkeit” verloren, so leider auch die kleine Altstadt. Man trifft in den sich zur inneren Burg hinaufschlängelnden Gassen ein wenig ansehnliches Konglomerat aus schon gesichtslosen Bauten des 19. Jahrhunderts und auf reichlich “Sanierung” des der Baukunst vollends verlorenen 20. Jahrhunderts. Alleine die räumliche Spannung der schmalen Wege blieb erhalten, wie auch hier und dort ein ansehnliches Fachwerkhaus. Am schönsten die oben bereits verbreitete barocke Stadtkirche, welche 1733 errichtet. Durchaus herb wirkt der dreistufige, mit hoher Blechhaube versehene Campanile an seiner herbeiführenden Gasse. Der rote Sandstein passt auch aus nächster Nähe gut zu den aus gleichem Material verfertigten Festungsbauten.
Wenig später trifft man auch auf den zweiten “Finger” der Stadtsilhouette, den Campanile der evangelischen Stadtkirche. Auch er passt sich steinern ein. Die hier zu beobachtenden Stilmerkmale verweisen auf Neogotik, also auf den Historismus der Wende 19./20. Jahrhundert. Ansehnlichkeit, freilich unter dem Makel der diesem Stil typischen und wenig einfallsreichen Nachahmung, kann man auch hier bescheiden.
Dann aber das eigentliche Herz Dilsbergs, gleichsam eine Veste in der Veste: die innere Burg. Sie ja aus der Hand der Lauffener Grafen der Ausgangspunkt der gesamten Anlage. Von derselben durch einen Graben abgetrennt, kann man die Chronologie noch heute begreifen. Aber der Reiz geht noch weiter. Sogleich bemerkt man nämlich, dass in der inneren Burg nochmals eine sauber definierte Burg - also eine Veste in der Veste der Veste!            


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Und jener innerste Bereich, eigentlich muss man sagen “allerinnerste” Bereich, er ist der wertvollste der gesamten Anlage. Solch sorgsame Verwahrung mag schon darauf hingedeutet haben. Dieser Bereich, die Mantelmauer der Hauptburg, durch die Grafen von Lauffen als staufisches Polygon im 12./13. Jahrhundert errichtet, er ragt ausgesprochen monumental in die Höhe. Diese vertikale Wirkung wird denn auch von der nur sehr geringen Ausdehnung der Hauptburg sehr gefördert - ein Gebäu, so hoch wie breit. Und dieser Mauerzug ist es auch, der den eingangs beschriebenen Stadtprospekt so wehrhaft und abschließend akzentuiert.
Was man noch im selben ersten Moment bemerkt: das gewaltige Zerstörungswerk aus des “Freundes” Hand. Eine gewaltige Lücke in der Mantelmauer nämlich klafft dem Besucher entgegen. Sie entstand durch die Abtragung des barocken kurpfälzischen Amtshauses, von welchem nur noch die Grundmauern zu gewahren. Man steht vor einer Ruine, daran kein Zweifel. Wie aber sogleich der Reiz der bizarr geformten Überreste für Ausgleich sorgt, so ergötzt man sich auch am durch die Zerstörung bewirkten Einblick in das Polygon der Mantelmauer. Schließlich fallen rechts und links der klaffenden “Wunde” zwei Erker oder Türmchen auf, die sich aus der Mauer gleichsam herausschälen. Einst wussten beide um hohe und spitze Dächer. Der Gesamtprospekt gefällt sehr; man vermeint als würde sich die Burg entgegenwölben, ja mit zwei Armen entgegenstrecken, welche denn auch noch durch faustähnliche Erker akzentuiert.
Über eine Rampe erreicht man den innersten Burghof (der allerdings im Winter verschlossen wird). Sogleich empfängt eine genuin mittelalterliche Enge der Verhältnisse, gesteigert durch die im Verhältnis sehr hohe Mantelmauer. Und auch hier bemerkt man indessen das böse Zerstörungswerk. Nicht nur der nun umgekehrte Blick aus der großen Mauerlücke fällt auf, auch nämlich ein nahe der Mantelmauer einsam “balancierender” Treppenturm. Einst gab er den Weg in die Räumlichkeiten des sogenannten Grafenpalas frei. Doch von dem dreistöckigen Wohnbau im Osten des Hofes kann außer dem Treppenturm des 16. Jahrhunderts nur noch der unterirdische Keller besichtigt werden. Als der eigentliche Wohnbau der Burg reichen seine Ursprünge vermutlich bis in die spätstaufischen Zeiten des Mantelmauerbaus.
Male man sich auch die bis in die 1820er bestehende deutlich beklemmmendere Enge des kleinen Hofes aus, als der Grafenpalas ungefähr ein Drittel der Fläche einnahm und nach vorne das Amtshaus abschloss! Im heute bis auf den spätgotischen Treppencampanile leergefegten Polygon fällt nur noch der Brunnen auf. Er sicherte die Wasserversorgung der Besatzung, jedoch, obgleich tief geführt, spärlich genug. Wasserknappheit war immer ein Problem Dilsbergs, weshalb auch in den 1920ern ein Wasserturm angelegt wurde, der, gleichfalls aus rotem Sandstein, seither die Stadtsilhouette nicht ungeschickt bereichert. Der Brunnen aber kann durch einen seitlich in den Berg führenden Stollen begangen werden, was ein unbedingt empfehlenswertes Erlebnis
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Dass der Treppenturm des abgegangenen Grafenpalas kein funktionsloser Solist, muss dem ausgehenden 19. Jahrhundert gedankt werden. Als sich nämlich die dahinstümmelnde Freundeshand endlich wieder besann, ja ihrer tatsächlichen Verantwortung gewahr wurde, einer Verantwortung für das von der Historie überreichte Erbe, da ward neben der neuerlichen Schonung auch ein “Wehrgang” auf die Krone der Mantelmauer gesetzt. Und zur Besteigung derselben nutzt man seither den Treppenturm, der via Holzbrücke verbindet. Der erhöhende Wehrgang sitzt seinerseits einer leicht ablesbaren Aufstockung der staufischen Mauern (15./16. Jahrhundert) auf. Er zeigt zwar ohne zu missfallen eher willkürlich historisierende Formen, verdient aber ob der hier vortrefflichsten Aussichtsmöglichkeiten großes Lob. Weil man ungefähr die Hälfte der Mantelmauer, ihren westlichen Anteil begehen kann, so lassen sich für die ohnehin vorzüglichen Ausblicke auch noch verschiedene Perspektiven gewinnen.
Vorhin wurde man mit Macht zur inneren Burg, in die staufische Mantelmauer gezogen. Und so mag man den Bauten des äußeren Burghofes die gebührende Aufmerksamkeit versagt haben. Wirft man also vom Wehrgang einen Blick zurück. Im Süden lehnen sich mehrere Häuser an die zweite Burgmauer: Kaserne, Fruchtscheuer und das “Bandhaus” (1537 errichtet) - allesamt aber wurden für Wohnungszwecke gründlich umgebaut, zeigen nur noch wenige mittelalterliche Details.
Um vieles ansehnlicher das “Kommandantenhaus” in der Nordostecke der Vorburg. Über eine Bogenbrücke ist dieses auch direkt mit der Hauptburg verbunden, und das auffällige Gebäu mag schon manchen Blick auf sich gezogen haben, als man noch die Rampe zum Eintritt in den inneren Burghof bestiegen hat. Das Kommandantenhaus stammt gleichfalls aus den Tiefen des Mittelalters, erfuhr aber in der ausgehenden Zeit dieser Epoche, namentlich im 16. Jahrhundert nicht geringen Umbau. So legte sich also die Renaissance auf das bis dato mittelalterlich-rohe Gebäu. Am schönsten hierbei der polygonale Treppenturm mit seiner auffälligen Eckquaderung. Je nach Fassade zeigt der Hauptbau zwei bis vier Geschosse; letztere mit nicht geringer monumentaler Wirkung. Einst war das Gebäude ganz in die Außenverteidigung miteinbezogen, was heute nicht mehr so klar vor Augen, weil der zweiten Schildmauer ihr oberer Abschnitt zumeist abgetragen. Auch hat man dem Haus mancherlei zusätzliches Fenster eingebrochen, weil nämlich ab 1895 eine Schule  einzog. Im Stile der Neo-Renaissance war man um Formenkontinuität nicht erfolglos bemüht, wenngleich die neu hinzutretenden Details - wie das Fachwerk - mitunter zu effektheischend und auch den wehrhaften Charakter untergruben.
Nichtsdestotrotz ist das Kommandantenhaus nach der Mantelmauer die zweite bedeutende Zierde der inneren Burganlage. Und diese innere Burganlage, zusammen mit der gesamten Festungsgestalt zählt auch aus nächster Nähe zu den bedeutenden Zierden Baden-Württembergs. Und die Historie - ja bedenke man zuguterletzt nochmals die Historie dieses Ortes!


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Stadt, Festungsruine und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage von Dilsberg www.dilsberg.de
4) Informationstafeln vor Ort


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