Schlösser und Burgen in Baden-Württemberg
  Schloss Messkirch
 

Das Städtchen Meßkirch liegt zwischen Oberer Donau und Bodensee im westlichen Oberschwaben, als Teil des Landkreises Sigmaringen. Bis zum Übergang an Baden im frühen 19. Jahrhundert fand man Meßkirch auf fürstenbergischem Territorium. Am klangvollsten aber ist der Spitzname "Badischer Geniewinkel", den man sich aufgrund einer Häufung bekannter Töchter und Söhne der Stadt zulegte. Aus heutiger Sicht am berühmtesten der Philosoph Martin Heidegger, der in der deutschen Philosphiegeschichte des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle spielte und auch im aktuellen Jahrhundert noch große Leserschaft findet.
Mit heideggerscher Berühmtheit kann unser Städtchen nicht mithalten. Dem ungeachtet findet man eine Schlossanlage, die von großer Schönheit und für die Baukunst in Baden-Württemberg ein bedeutendes Denkmal darstellt. Das oben abgebildete Zimmernschloss, wichtigstes Bauwerk der Stadt, ist nichts geringeres als die erste Vierflügel-Anlage der Renaissance nördlich der Alpen. Kein geringer Ruhm also auch für die Stadtgestalt selbst!
Obiges Foto zeigt die Südwest-Ansicht, welche wie die anderen Seiten von jeweils zwei gedrungenen Ecktürmen aufgespannt wird. Als Nachfolger einer mittelalterlichen Burg wurde der Palast 1557-63 unter Graf Froben Christoph von Zimmern durch den Baumeister Jörg Schwarzenberger errichtet. Das Aussehen des Komplexes hat sich im Äußeren bis heute nur wenig verändert, was den Wert als Renaissance-Werk natürlich unterstreicht. Die Südwestseite stößt an eine große Parkanlage, die Gefälligkeit der Ansicht entsprechend steigernd.


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Neben der Grundform des Schloss, wie dargelegt durch die frühe Erbauungszeit von außerordentlicher Bedeutung, gefällt hier die Renaissance auch durch zahlreiche Fassadendetails, worunter die Tor- und Türportale herausragen. Links sieht man das Torportal der Außenseite des Nordostflügels: zwei flankierende Halbsäulen toskanischer Ordnung "tragen" ein schmales Gebälk und Dreiecksgiebel, über welchem das gräfliche Wappen prangt. Der eigentliche Durchgang wird von einem Rundbogen geformt, welcher in dieser Renaissance-typischen Form den zuvor gültigen Spitzbogen der Gotik ablöste. Als Sonderform wurde der Bogen hier jedoch als Segment und nicht als Halbkreis gewählt.
Das rechte Foto gibt die Südecke des Schlossgevierts wieder, gebildet vom Südost- und dem Südwest-Flügel. Letztere ist die einzige Schloss-Seite, die schon historisch ohne Berührung mit dem Stadtkörper in Richtung Feld zeigte. Dank einer Parkanlage ist der überkommene Zustand gesichert. Ein Rundtürmchen mit Zeltdach bereichert die Ansicht der Südecke.
Als echtes Renaissance-Schloss ließ die Anlage von Anfang an die Wehrhaftigkeit des Mittelalters hinter sich: Ansehnlichkeit und Wohnkomfort sowie Repräsentationsbedürfnisse hatten Vorrang vor Verteidigung. Die Außenseiten des Schlosses waren entsprechend von zahlreichen großen Fenstern durchbrochen,wo das Mittelalter allenfalls wenige kleine Öffnungen, vornehmlich als Schießscharten geduldet hätte. In einem Belagerungsfall hatten weder das Schloss noch die veralteten Stadtmauern ernstliches entgegenzusetzen. Aber das wussten die Grafen natürlich und blickten als letzte Rückzugsmöglichkeit gelassen auf ihre nicht ferne Burg Wildenstein, eine praktisch uneinnehmbare Festung an der jungen Donau. 


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Der ursprüngliche Plan eines Vierflügelschlosses konnte nicht ganz umgesetzt werden; dem ungeachtet ist die Anlage dennoch vierflüglig, indem nämlich das "Schlössle", bedeutender Überrest der vorherigen Burg, erhalten blieb und als mittelalterlicher Flügel das Geviert nach Nordwesten (nicht ganz) schließt. Das 1492 unter den Grafen von Werdenberg errichtete Schlössle ist auf dem Foto links oben zu sehen (links der Südwestflügel und Nordwestturm des Renaissance-Schlosses). Dem Abriss entging der kompakte Bau, weil er durch seine Wirtschaftsräume noch nützlich genug.
Links unten wird in den Schlosshof geblickt, vor allem auf die Innenseite des Nordwestflügels. Das gesamte Schloss gefällt durch ruhige Formensprache der Renaissance, die edlen Details gezielt einsetzend. Am schönsten die aufwendigen Portale, mit stiltypischen Gewänden die Fenster, außerdem zäsiert ein hohes Gesimsband zwischen den beiden Stockwerken der Hoffassaden, wie hier auch ein niedrigeres Gesims den Übergang zu den hohen Satteldächern bereitet.
Die rechte Abbildung blickt durch das Außentor im Südwestflügel in den Schlosshof. Es ist das bescheidenste der Schlosstore, wird dem ungeachtet geziert von einem Dreiecksgiebel auf Gebälk und Rollwerkkonsolen
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Links sieht man das edel kassettierte Tonnengewölbe des Tordurchgangs im Südwestflügel. Die Detailvielfalt kontrastiert zu den sparsam dekorierten Außenfassaden. Wie zum Teil bei den Innenräumen zeigt die Renaissance hier ihr ganzes Auszierungstalent, von außen zugänglich der schönste Renaissance-Schmuck des Zimmernschlosses.
Rechts oben der Nordost-Flügel: er wird durch die große Freifläche zwischen Martinskirche und Schloss gut in Szene gesetzt, was jedoch auch dazu führt, dass die der durch die Turmanlage eingeführten Symmetrie entgegenwirkenden unsymmetrischen Eingriffe deutlich ans Licht gebracht werden. Und so stört man sich an der außermittigen Position des Tores und mehr noch an der Flügelverbreiterung im südlichen Bereich (direkter Anschluss am Südost-Turm).
Von seiner Südost-Seite zeigt sich das Zimmernschloss rechts unten, hier direkt über der Altstadt, dem einst befestigten Stadtbereich, stehend. Die vier Ecktürme sind gleichsam letzte wehrhafte Reminiszenz an den mittelalterlichen Burgenbau. Man war in der Renaissance den Anblick von Türmen noch zu sehr gewöhnt als dass man auf sie verzichten wollte; zur Wehrhaftigkeit trugen sie aber häufig nichts mehr bei, wie auch unsere vier quadratischen, von großen Fenstern durchbrochenen Türme. Es war der auf die Renaissance folgende Barock, der Türme als Gestaltungsmittel weitgehend abschaffte.


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Obige Abbildung blickt nochmal auf die Südwest-Seite des Schloss, die dank des direkt angrenzenden Parks schönste Ansicht des Zimmernschlosses.
In den Zeitraum der Schlossbaus fiel auch der Errichtung eines Spitals in der Oberen Vorstadt, welche ihrerseits um 1550 unter Graf Froben Christoph von Zimmern gegründet worden war. Ein deutlicher Hinweis also auf Prosperität der seinerzeitigen Residenzstadt in den Tagen beginnender Renaissance. Hierzu passend, dass die Festung der Grafen von Zimmern, die nahe Burg Wildenstein, wenige Jahre zuvor zur noch heute so beeindruckenden Veste verstärkt worden war.
Solcher Blüte jedoch wirkte das Aussterben der Herren von Zimmern ein halbes Jahrhundert später entgegen! Immerhin aber blieb Meßkirch noch lange Residenzstadt: ab 1594 für die Grafen von Helfenstein-Gundelfingen und 1627-1744 für die Fürsten zu Fürstenberg-Meßkirch. Was aber an historischer Sehenswürdigkeit in Meßkirch zu bewundern, fällt mit Ausnahme des Innenraums der Stadtkirche St. Martin weitgehend in die Zeit der Grafen von Zimmern, in die Renaissance-Zeit, und diese, ergänzt von der Rokoko-Wunderwelt St. Martins, macht den "Badischen Geniewinkel" sehenswert.

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Abschließende Impressionen: wertvolle Renaissance-Portale im Schlosshof (rechts: Südwest-Flügel, links Südost-Flügel) auf der Abbildung links oben — darunter der lange einstöckige Bau der ehemaligen Remise, heute Oldtimer-Museum, einst als Stall dienend und die Kutschen aufnehmend, situiert   nördlich des Schlossgevierts, erbaut 1737 vom  talentierten  Deutschordensbaumeister Johann Caspar Bagnato — auf dem rechten Foto nochmals das lustige Rundtürmchen bei der Südspitze des Schlosses, wie sein Pendant bei der Westspitze leider in schlechtem baulichen Zustand (Bild datiert von 2009).
Nach bedenklichem Verfall bis ins 20. Jahrhundert kaufte die Stadt das Schloss 1961 vom Haus Fürstenberg, konnte aber erst ab 1985 mit Hilfe baden-württembergischer Landesgelder instand setzen. Seit der Renovierung finden im prächtigen Festsaal kulturelle und repräsentative Stadtveranstaltungen statt, und außerdem beheimatet die Anlage das Martin-Heidegger-Archiv, worüber das bedeutendste Gebäude der Stadt geschickterweise mit dem berühmtesten Sohn der Stadt verbunden. 


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss und Stadt
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website Schloss Meßkirch
4) örtliche Informationstafeln
 

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